INFORMATIONEN ZU SUIZID & SELBSTTÖTUNG
Bereits 1953 hat Erwin Ringel das Präsuizidale Syndrom folgendermaßen beschrieben:
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Einengung (Situative Einengung, Dynamische Einengung, Einengung der zwischenmenschlichen Beziehungen, Einengung der Wertwelt)
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Gehemmte und gegen die eigene Person gerichtete Aggression
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Suizidfantasien
Er formulierte fand damals psychologische Risikofaktoren im Vorfeld eines Suizids: Impulsivität, Schwarz-Weiß-Denken, Kognitive Rigidität, Eingeschränkte Problemlösungsressourcen und Hoffnungslosigkeit.
Statistik zum Suizid in Österreich
2009 verübten in Österreich insgesamt 1.273 Menschen einen Suizid (968 Männer und 305 Frauen).
Für dieses Jahr betrug somit die Suizidrate in Österreich 16 pro 100.000 Einwohner.
Neben de offiziellen Statistiken ist jedoch eine hohe Dunkelziffer anzunehmen (z.B. tödliche Autounfällen).
Auch bei Suizidversuchen wird von einer sehr hohen Dunkelziffer ausgegangen (bis zu 30mal höher als Suizide).
Als Vorhersagefaktoren für ein erhöhtes Suizidrisiko sind zurzeit folgende Faktoren belegt:
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Jüngeres Alter (bei Männern)
- Alte Männer
- Frühere Suizidversuche
- Soziale Isolation (fehlendes soziales Netz)
- Verlusterlebnisse in der nahen Vergangenheit
- Suizid in Familienanamnese
- Chronische Schmerzen
- Obdachlosigkeit
- Depression bei bipolarer Störung
- Aktuelle Angsterkrankungen
- Mischzustände (manisch-depressiv) bei bipolarer Störung
- gewalttätiges oder impulsives Verhalten
- Alkoholkonsum
Als psychopathologische Charakteristika für ein erhöhtes Suizidrisiko finden sich:
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Hoffnungslosigkeit
- Schuldgefühle und Selbstvorwürfe
- Aggression
- Wertlosigkeitsgefühle
- systematische und realistische Suizidgedanken
- Agitiertheit bzw. gesteigerter Antrieb
- Ausgeprägte Schlafstörungen
- Psychotische Symptome
Beurteilung der Suizidalität
Bei fast alle Menschen, die Suizidgedanken haben (90 bis 95 %), finden sich im Vorfeld eines Suizidversuches mehr oder wenige deutliche Hinweise darauf.
Eine restlose Sicherheit bei der Einschätzung des Grades der Gefährdung wird es allerdings nie geben.
Zur Bestimmung des Suizidrisikos hat sich z.B. die SAD-PERSONS Scale (vgl. Patterson WM et al., 1983) bewährt:
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S ex: männlich + 1 Punkt
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A Iter: unter 20 oder über 54 Jahre + 1 Punkt
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D epressives Syndrom; bipolare Anamnese (+ 1 Punkt zusätzlich) + 1 Punkt
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P lan für Suizid vorhanden; konkrete Vorbereitungen (+ 1 Punkt) + 1 Punkt
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E thanol (& andere Substanzen) Missbrauch (aktuell alkoholisiert + 1 Punkt) + 1 Punkt
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R ationales Denken gestört (z.B. OPS, affektive, schizophrene Störung) + 1 Punkt
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S uizidhandlungen in der Anamnese oder bei Verwandten ersten Grades+ 1 Punkt
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O hne soziale Unterstützung, aktuelle psychosoziale Probleme + 1 Punkt
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N icht verheiratet (Single, ohne aktuelle Beziehung) + 1 Punkt
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S chlechter Gesundheitszustand (Krankheit, chronische Schmerzen) + 1 Punkt
Auswertung: Pro positiver Antwort wird ein Punkt vergeben.
Bei den Punkten 3, 4 und 5 kann ein weiterer Punkt dazu kommen!
Interpretation: 0-2: keine Aufnahme, aber eine ambulante Therapie ist zu empfehlen (abhängig vom Leidensdruck); 3-4: Aufnahme möglich ambulante Therapie ist unbedingt zu empfehlen; 5-6: Stationäre Aufnahme indiziert; > 6: Aufnahme unbedingt erforderlich,
Medikamentöse Therapie
Bezüglich Beratung hinsichtlich Wirkungen und Nebenwirkungen und medikamentöser Einstellung sind FachärztInnen für Psychiatrie & Neurologie die Ansprechpartner der Wahl.
Hauptsächlich werden hier SSRI (Selektive Serotonin Wiederaufnahmeinhobitor), SNRI (Serotonin- und Noradrenalin Wiederaufnahmeinhobitor), TZA (Trizyklische Antidepressiva), Stimmungsstabilisierer zur Unterstützung verordnet.
Wie soll mit Suizidgefährdeten NICHT umgegangen werden:
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vorschnelles Trösten
- Ermahnung, Verallgemeinerung, Ratschlag, Belehrung
- versuchen Probleme wegzuargumentieren
- Verbieten der Kontaktaufnahme zu Fach- & HausärztInnen, PsychologInnen, PsychotherapeutInnen, Kriseninterventionszentrum
- den Betroffenen Vorwürfe machen
- den Betroffenen bestimmte Gedanken verbieten
- den Betroffenen Schuldgefühle machen
- Lächerlichmachen und Nichtwahrhabenwollen des suizidalen Notsignals
- Alleinlassen der Betroffenen
- mitmachen bei der Bagatellisierung des Patienten/der Patientin
- Zu schnelle Suche nach positiven Veränderungsmöglichkeiten
Psychotherapie
Da Suizidgedanken und -versuche in der Regel viele verschiedene Ursachen in der Entstehung haben, spielen in der Behandlung ebenso multifaktorielle Behandlungsansätze die Hauptrolle.
Hier stellen neben einer möglichen Pharmakotherapie z.B. die Behandlung unmittelbarer Auslöser (wie z.B. psychische Erkrankungen, zwischenmenschliche Konflikte, Mobbing, Stalking, Trennungen von wichtigen Bezugspersonen, akute Traumata, Kränkungen, berufliche Belastungsmomente) oder die Behandlung langfristiger Belastungen und Lebenskrisen wichtige Bestandteile der Unterstützung dar.
Abhängig vom Ursprung und Ausprägung der suizidalen Tendenzen kommen der Psychotherapie unterschiedliche Aufgaben zu.
Im Rahmen einer stationären Aufnahme oder in der ambulanten Psychotherapie kann sie sowohl zentraler Bestandteil der Behandlung sein oder zusätzlich zur medikamentösen Behandlung eine unterstützende und begleitende Funktion haben.
Eine wissenschaftlich belegte Wirksamkeit von Psychotherapie bei suizidalem Verhalten liegt zurzeit nur für wenige Methoden vor. Als besonders geeignet haben sich im Bereich der Verhaltenstherapie folgende herausgestellt:
- Dialektisch Behaviorale Therapie (DBT)
- Kognitive Verhaltenstherapie (CBT)
- Schemafokussierte Therapie (SFT)
Die Beratung und Begleitung von Angehörigen, Familie, Freunden und Kollegen darf nicht vernachlässigt werden, da diese Menschen das erste Auffangnetz in Krisen darstellen.
Suizidalität bei Kindern und Jugendlichen
Der Suizid ist die häufigste unnatürliche Todesursache bei Kindern und Jugendlichen und die zweithäufigste Todesursache insgesamt.
Suizide sind bei Kindern und Jugendlichen in der Regel mit depressiven Störungen verbunden.
Die Depressionsprävalenz beträgt bei Kindern im Vorschulalter 0,7 - 1,8%, im Schulalter 1,3 - 4,4%, ab der Pubertät 10 - 14%. Das Verhältnis Mädchen zu Jungen beträgt 3:1.
Suizidrate von Kindern und Jugendlichen in Österreich (2005 bis 2009)
- bei Kindern im Alter von 5 - 14 Jahre: Suizidrate 0,4/100.000,
- bei Jugendlichen im Alter 15 - 19 Jahre: Suizidrate 7,5/100.000) und
- bei jungen Erwachsenen im Alter 20 - 24 Jahre: Suizidrate 10,5/100.000.
Das Verhältnis Jungen zu Mädchen beträgt etwa 5:1.
Als Risikofaktoren bei Kindern und Jugendlichen lassen sich feststellen:
- Kognitive Unreife
- Hohe Impulsivität
- Psychiatrische Vorerkrankungen
- Familiäre Belastungsfaktoren
- Schulprobleme
- Belastende Lebensereignisse
- Zugang zu Suizidmitteln
Folgende Warnzeichen für ein Suizidrisiko bei Kindern und Jugendlichen (vgl. Kerns, 1997)
- Offene oder verhüllte Suizidabsichten
- plötzliche Verhaltensänderungen (z.B. ein geselliges Kind zieht sich zurück)
- Gedankliche Auseinandersetzung mit Suizidmethoden
- Vernachlässigung des eigenen Aussehens
- Sozialer Rückzug, Isolation
- Verschenken von persönlichen Wertgegenständen
- Starke Beschäftigung mit dem Thema Tod
- Vorangegangene Suizidversuche
- Auffälliges Risikoverhalten
- Übermäßiger Konsum von Alkohol und Drogen
- Schulversagen
- Plötzlich inadäquat gehobene Stimmung
- Häufige Unfälle
- Umtriebigkeit (Davonlaufen, Ausreißen)
Was hilft?
Bezüglich der Therapie der Depression mit Suizidalität bei Kindern und Jugendlichen hat sich eine Kombination von medikamentöser Therapie und Psychotherapie als sinnvoll herausgestellt: In mehreren Studien an depressiven Jugendlichen stellt sich die Kombination SSRI (Fluoxetin) und Psychotherapie (Verhaltenstherapie) als wirksamer als die jeweilige Einzelmaßnahme dar.
Suizidalität bei älteren Menschen
Als eine Risikogruppe, die ein deutlich erhöhtes Risiko haben und daher nicht vergessen werden darf, zeigen sich ältere Menschen (65+).
Als Ursachen sind wie so oft vielfältige zu finden. Die wichtigsten Faktoren sind: das Vorliegen einer Depression, die sich häufenden Verluste geliebter Menschen, Einsamkeit, mangelnde soziale Integration, Verlust der gewohnten Umgebung (Umzug ins Pensionisten- oder Pflegeheim), Demenz, chronische Erkrankungen / chronischer Schmerz, Perspektivenlosigkeit, Alkohol- und Medikamentenabusus und besonders das Erleben steigender Abhängigkeit.
Rate ältere Männer : ältere Frauen 6 : 1.
Ältere Menschen haben im Vergleich zur Gesamtbevölkerung eine achtfach höhere Suizidrate
Unterstützung
Wien
- www.kriseninterventionszentrum.at
- Psychosozialer Notdienst Wien: 01/31330
- www.psd-wien.at
- AKH Wien: 01/40400-0
- SMZ-Ost Donauspital: 01/28802-0
- SMZ-West (Otto Wagner Spital 1140 Wien): 01/91060-0
- SMZ-Süd (Kaiser Franz Josef Spital 1100 Wien): 01/60191-0
- www.promente-wien.at
- Frauennotruf der Stadt Wien (täglich 0-24Uhr): 01/71 71 9
- http://www.frauennotruf.wien.at/
Bundesweit
- Frauenhelpline gegen Männergewalt (täglich 0-24 Uhr / bundesweit / gebührenfrei): 0800-222 555
- http://www.frauenhelpline.at/
- Telefonseelsorge (täglich 0-24 / Uhrbundesweit ): 142
- http://www.telefonseelsorge.at/
- Kummernummer (täglich 12-24 Uhr / bundesweit): 0800/600 607
- Rat auf Draht / Telefonhilfe für Kinder und Jugendliche (täglich 0-24 Uhr / bundesweit):147
- http://rataufdraht.orf.at/
- www.hpe.at
- Psychiatrischer Not- und Krisendienst (täglich 0-24 Uhr): 0664/300 700 7